14. März 2024
Sebastian Külps (Vanguard): "Unsere vier Prinzipien erfolgreicher Geldanlage"

Sebastian Külps (Vanguard): "Unsere vier Prinzipien erfolgreicher Geldanlage"

Geldanlage rückt für viele Bürger mehr in den Fokus. Sebastian Külps, Head of Germany & Northern Europe bei Vanguard, erklärt, worauf es ankommt.

Die Wertpapier-Portfolios im Private Banking und Wealth Management haben häufig ein Performanceproblem. Wieso ist das so? Wie groß ist dieses Geldanlage-Problem?

Das ist ein Thema, was uns viel umtreibt. Nicht nur die Manager von Mischfonds tun sich häufig schwer, besser abzuschneiden als einfache Indexportfolios. Auch aktiv verwaltete gemischte Portfolios im Private Banking und Wealth Management haben Performance-Probleme. Wir haben uns das zuletzt empirisch im Rahmen einer Studie angesehen, die wir beim Institut für Vermögensaufbau (IVA) in Auftrag gegeben haben. Das Ergebnis: Auch bei gleicher unterstellter Kostenbelastung liefern aktiv gemanagte Portfolios gegenüber ihrer Index-Benchmark Portfolios im Durchschnitt deutlich niedrigere Renditen. Die Ursache liegt wesentlich in einer zyklischen Steuerung der Aktienquote. Die Performanceverluste entstehen vor allem in Jahren mit hoher Volatilität und in der Marktphase nach einem starken Einbruch, so bleibt Potential liegen.

Die Anzahl an Anbietern und Produkten nimmt stetig zu. Sollte ein Selbstentscheider bei der Geldanlage Beratung in Anspruch nehmen? Und worauf sollte man achten? 

Gerade in Zeiten, in denen Anleger eine Vielzahl von Informationen frei zur Verfügung steht, fällt es schwer den Überblick zu behalten und die richtigen Finanzprodukte auszuwählen. Eine professionelle Beratung hilft dabei, die wichtigen Inhalte herauszufiltern und ein grundlegendes Wissen über Finanzmärkte und Kapitalanlagen zu gewinnen. Zudem ist ein gut strukturierter, von einem Finanzberater individuell zusammengestellter Finanzplan essenziell, um realistische Ziele und einen entsprechend langen Anlagehorizont zu definieren. Wir verstehen unter einer ganzheitlichen Beratung viel mehr als den Verkauf eines Produktes. Vielmehr sehen wir Berater als Finanzcoaches, die Anlegern in unterschiedlichen Marktphasen helfen, langfristig und diszipliniert zu investieren. Studien von Vanguard haben gezeigt, dass eine qualitativ hochwertige Beratung das Anlageergebnis erheblich verbessern kann – um bis zu drei Prozent per annum.

Sebastian Külps, Head of Germany & Northern Europe bei Vanguard
Sebastian Külps, Head of Germany & Northern Europe bei Vanguard

Sollten Privatanleger, die sich nicht selbst um ihre Geldanlage kümmern möchten, nicht lieber gleich Robo-Advisors einschalten? 

Robo-Advisors können bei der privaten Finanzanlage helfen. Sie können aber nicht alle Facetten der Finanzberatung abdecken. So braucht eine langfristiger Vermögensaufbau viel Durchhaltevermögen und Disziplin seitens des Anlegers. Gerade in Krisenzeiten gilt es, investiert zu bleiben, und dabei kann der persönliche Kontakt mit einem Finanzberater ungemein helfen. Die Entscheidung, in welcher Form Anleger beraten werden möchten ist eine sehr persönliche und hängt vor allem von den eigenen Präferenzen ab.

Tipp: Wenn du mehr über Robo-Advisors wissen möchtest, bekommst du ab Ende März in der Beilage der Extra-Magazin-Ausgabe 3/2024 weitere Einblicke dazu. Schau also gleich zu unserem Shop.

So oder so gilt: Geldanlage ist einfach, langfristig diszipliniert und balanciert zu investieren ist es nicht. Und unabhängig davon, ob mit Robo, persönlichem Berater oder als Selbstentscheider erfordert Geldanlage ein gewisses Maß an Finanzwissen. Deswegen ist es unser Ziel, die Relevanz von Finanzbildung weiter zu fördern und dem Endanleger so mehr Wissen zu vermitteln. Einfache Themen wie Investitionskosten oder private Altersvorsorge müssen dabei für Anleger einfacher zugänglich werden.

Wie ist Ihre Fokussierung am deutschen Markt auf Sicht der kommenden Jahre?

Investmentfonds gibt es schon seit 1774. In diesem Jahr brachte der niederländische Kaufmann Adriaan van Ketwich das erste Gemeinschaftsvermögen „Eintracht macht stark“ auf den Weg. Den ersten Fonds in Deutschland gab es vor etwa 70 Jahren. Die Idee hat sich bis heute bewährt. Als Produktanbieter blicken wir zwar erst auf knapp 50 Jahre Erfahrung zurück aber vertrauen auf das, was sich in der Vergangenheit bewährt hat – die Statistik und langfristige Renditen sprechen für sich. Wir sehen auch künftig enormes Potenzial in breit gestreuten Indexprodukten wie ETFs und Indexfonds.

Tipp: Hierzulande wird die Geldanlage mit ETFs immer beliebter. Schau dir gleich unseren ETF-Sparplan-Vergleich an und nutze die ETF-Suche.

Wir vertrauen auf unsere vier Prinzipien erfolgreicher Geldanlage. In den kommenden Jahren machen die Rückkehr zu positiven Realzinsen und die Aussicht auf langfristig höhere Zinsen insbesondere Anleihe- und Multi-Asset-Produkte, darunter Modellportfolios und kosteneffiziente Multi-Asset-ETFs, wieder interessant für den Vermögensaufbau. Wir sagen: Bonds are back. Aus Sicht langfristiger Anlegerinnen und Anleger sind die höheren Zinsen nach unserer Einschätzung die beste Wirtschafts- und Finanzentwicklung der letzten 20 Jahre, denn eine höhere Ausgangsverzinsung lässt in den kommenden zehn Jahren höhere Anleiherenditen erwarten. Und da gleichzeitig auch die Inflation zurückgeht, dürfte diese Verzinsung die Inflationsrate übersteigen – was positive Realzinsen bedeutet. Gleichzeitig beobachten wir aber, dass es gerade beim Thema Anleihen noch immer Wissenslücken bei Anlegern und Anlegerinnen gibt, die wir schließen wollen. Wir halten solides Finanzwissen für essentiell, um an diesen Entwicklungen am Anleihemarkt partizipieren zu können.

Wie wollen Sie das erreichen? Welche konkreten Schritte planen Sie für 2024?

Vanguard wird im Jahr 2024 seine Reichweite auf dem deutschen Markt ausweiten. Schon jetzt haben wir in unsere lokale Präsenz investiert und das Team vergrößert, um so für unsere Kunden einen umfangreichen Service anbieten zu können. Für Anleger und Anlegerinnen auf dem deutschen Markt wird das Team weiterhin unsere Anlageprinzipien vertreten: klare, angemessene Anlageziele, eine geeignete Vermögensallokation unter Verwendung breit diversifizierter Fonds, Kostenkontrolle sowie langfristige Perspektive und Disziplin. Um auch ihre Leser – Selbstentscheider – anzusprechen, bauen wir kontinuierlich unsere Parterschaften mit Direktbanken und Neobrokern aus.

So arbeiten wir seit kurzem beispielsweise mit Flatex und der ING * zusammen. Weitere Partnerschaften streben wir zudem mit Versicherungen und Fintechs an. Gerade in diesem Feld werden wir dieses Jahr einige spannende Entwicklungen mit ihnen teilen dürfen! Eingangs sprach ich ja schon über Beratung und deren hohen Stellenwert sowohl für uns als auch für viele Selbstentscheider. Daher steht auch die Weiterentwicklung unseres Vanguard  Beraterprogramms in diesem Jahr im Fokus. Dazu zählt der Ausbau unserer Beraterportale mit optimal zugeschnittenen Inhalten sowie die Planung von Webinaren und Workshops – von Networking-Events bis zu Expertenrunden, in Präsenz wie auch online. Wir glauben an einen Mehrwert der Beratung und hoffen, unser Programm hilft Beratern dabei, ihren Kunden gut und richtig an der Seite zu stehen.

Welche Rolle werden Anleihen und Multi-Asset-ETFs zukünftig einnehmen?

Wie bereits erläutert, sind seit dem Ende der Null-Zins *-Politik Anleihen und damit auch Multi-Asset-ETFs wieder in den Fokus gerückt. Dank deutlicher Zinserhöhungen sind die Kuponzahlungen erheblich gestiegen, wovon nicht nur die langfristigen Anleiherenditen profitieren sollten, sondern auch die Renditen ganzer Portfolios. Umgekehrt belasten auf der Aktienseite die höheren Zinsen die Bewertungen, zumal sie aus unserer Sicht noch nicht vollständig eingepreist sind. Warum? Weil höhere Zinsen höhere Kreditkosten und schwierigere operative Bedingungen für Unternehmen bedeuten und dadurch den Fair Value senken. So kommt es, dass wir sowohl für ein reines Aktienportfolio als auch für ein Portfolio mit 60 Prozent Aktien und 40 Prozent Anleihen eine durchschnittliche annualisierte 10-Jahres-Rendite von 4,5 Prozent prognostizieren.

Gleichzeitig bleibt die Volatilität eines reinen Aktienportfolios hoch: Während wir für ein diversifiziertes Aktienportfolio mit eine Medianvolatilität von 19,2 Prozent in den nächsten zehn Jahre prognotizieren, erwarten wir bei einem Portfolio aus 60 Prozent Aktien und 40 Prozent Anleihen eine Volatilität von 11,5 Prozent – und das, wie soeben ausgeführt, ohne eine nennenswerte Risikopräme des Aktienportfolios. Dank Multi-Asset-ETFs können Anleger unkompliziert und kostengünstig von dieser Entwicklung profitieren. Mit nur einem Produkt investieren Anleger so weltweit in Aktien und Anleihen. Unsere LifeStrategy ETFs vereinen eine individuelle Risiko-Rendite-Vorstellung mit der Möglichkeit, kosteneffizient in die globalen Märkte zu investieren. Davon profitieren sowohl risikoaffiniere als auch risikoaverse Anleger, mit einem Aktien/Anleihen-Verhältnis von beispielsweise 80:20 bzw. 40:60. Entscheidend ist vor allem, dass die gewählte Strategie optimal den Bedürfnissen und dem Anlagehorizont des Anlegers entspricht.

Themen-und Nischenprodukte und zuletzt ETFs auf Bitcoin erleben nach wie vor Zuspruch. Allerdings nicht von ihrem Haus. Warum? 

Unserer Ansicht nach passen Themen- und Nischenprodukte nicht in unser Angebot, das sich auf Anlageklassen wie Aktien und Anleihen konzentriert, die Vanguard als Kernbausteine eines ausgewogenen, langfristigen Anlageportfolios ansieht. Themen- und Nischenprodukte sind häufig nicht ausreichend diversifiziert und bieten sich deswegen nur bedingt als Lösung an. Gerade weil immer die Gefahr besteht, dass sie nur einem aktuellen und kurzfristigen Markttrend folgen. Ein Investment in eine einzelne und sehr spezifische Branche birgt damit immer ein erhöhtes Volatilitäts-Risiko. 

Im konkreten Fall von ETFs auf Bitcoin sind wir bei Vanguard der Ansicht, dass Kryptowährungen keinen intrinsischen Wert haben. Sie generieren anders als Aktien oder Anleihen keinen Cashflow und produzieren weder Güter noch Dienstleistungen. Die Volatilität des Bitcoins ist über die letzten fünf Jahre gesehen vier Mal so hoch wie die des US-Aktienmarktes – vier Mal ist der Kurs in dieser Zeit über mehr als 45 Prozent gefallen. Unsere Erfahrung hat uns gezeigt, dass sich solche Investments nicht für langfristige Inverstitionen anbieten. Unsere Entscheidung, keine Krypto-ETFs anzubieten, unterstreicht unsere Mission, den Anlegern die besten Chancen auf langfristigen Anlageerfolg zu geben.

Anleger in Deutschland verstehen unter einem Welt-ETF zumeist den MSCI World. Ihr Haus bietet den FTSE All-World an – warum, und wo liegen die Unterschiede?

Während der MSCI World rund 1.500 Einzelwerte aus Industrienationen umfasst, ist der FTSE All World mit fast 4.000 Aktien wesentlich breiter aufgestellt. So bündelt der FTSE All World Unternehmen aus 25 Industrieländern und 24 Schwellenmärkten. Es gilt: je breiter man sich diversifiziert, desto besser. Sie kennen sicherlich die schöne Frage „Was kostet die Welt?“. Meine Antwort wäre: Einen Vanguard FTSE All-World.  

Sie sind bekannt für Ihre „Brot- und Butter-ETFs“. Angesichts der anstehenden Dividenden-Saison möchte ich noch Ihren Vanguard FTSE All-World High Dividende Yield UCITS ETF (Dist) ansprechen. Auffällig ist der im Vergleich zum Mutterindex geringe US-Anteil. Wieso ist der US-Anteil in der Dividenden-Variante so viel geringer?

Im Detail liegt das daran, wie der Vanguard FTSE All-World High Dividend Yield (WKN: A1T8FV) gebildet wird: Alle Aktien des Mutterindex werden anhand ihrer Dividendenausschüttung gelistet und die Hälfte der Aktien mit der geringeren Ausschüttung wird ausgeschlossen. Die andere Hälfte wird gewichtet nach Marktkapitalisierung in den Dividenden-ETF aufgenommen. Dieser Schritt bewirkt, dass einige US-amerikanische Tech-Unternehmen, die im Mutterindex aufgrund ihrer Marktkapitaliserung eine große Rolle spielen, nicht Teil der Dividenden-Variante sind. Denn statt ihre Gewinne auszuschütten, reinvestieren zahlreiche Tech-Unternehmen ihre Gewinne in neue Entwicklungen.

Schon ein Blick in die zehn größten Holdings zeigt, dass sich im Dividenden-ETF vermehrt Unternehmen aus anderen Branchen wie dem Gesundheitssektor oder Basiskonsumgütern finden – diese schütten ihre Gewinne eher aus. Auf Länderebene sind beispielsweise das Vereinigte Königreich, die Schweiz, Japan und auch Deutschland gegenüber dem Mutterindex übergewichtet.