16. September 2015
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"Die Finanzverwaltung muss sich jetzt neu positionieren"

Wie vor kurzer Zeit der Bundesfinanzhof entschied, entfällt die Abgeltungssteuer bei Xetra-Gold nach einer Haltedauer von einem Jahr. Über die Bedeutung dieses Urteiles und die Auswirkungen auch auf andere ähnlich gelagerte Produkte sprach das EXtra–Magazin mit Christian Fischler, Rechtsanwalt im Bereich Financial Services bei der KPMG AG in Frankfurt am Main.

Herr Fischler, wie bewerten Sie die Urteile?

Für viele Anleger in börsengehandelte Gold ETC gehen Jahre der Unsicherheit über die Besteuerung ihrer Kapitalanlagen zu Ende. Die Urteile sind ist in ihrer bemerkenswerten Deutlichkeit zu begrüßen: Klar hat der BFH die entscheidende Frage danach, ob sog. Kapitalforderungen vorliegen, die haltedauerunabhängig der Abgeltungsteuer unterliegen, verneint. Damit hat er die Urteile der Vorinstanzen bestätigt. Darüber hinaus lehnt der BFH auch die hilfsweise von der Finanzverwaltung vorgebrachte Auffassung ab, bei Xetra-Gold handele es sich steuerlich um ein Termingeschäft i.S.d. § 20 Abs. 2 Nr. 3a EStG.

Wie wird die Finanzverwaltung reagieren?

Die Finanzverwaltung muss sich jetzt neu positionieren, weil diese Urteile im Widerspruch zu einem Erlass des Bundesfinanzministeriums stehen, dem auch die deutschen Banken für den Abgeltungsteuerabzug folgen müssen (BMF-Schreiben v. 9. Oktober 2012, Rz. 57). Denn der Fiskus unterstellt bisher pauschal für alle Goldzertifikate und Schuldverschreibungen, deren Wertentwicklung an den Goldpreis gekoppelt ist, dass eine sog. sonstige Kapitalforderung vorliegt. Ein nach dem 30. Juni 2009 erzielter Gewinn soll daher stets haltedauerunabhängig der Abgeltungsteuer unterliegen. Deutsche Kreditinstitute haben dieser Auffassung grundsätzlich zu folgen und auf Kursgewinne aus Wertpapieren, die einen physischen Lieferanspruch verbriefen, 25 Prozent Abgeltungsteuer abführen.

Gilt die neue Rechtsprechung auch für andere Gold-Anlageprodukte?

Hier ist Vorsicht geboten: Maßgeblich war für den BFH, dass Xetra-Gold ausschließlich einen Anspruch auf Auslieferung von Gold (Sachleistung) und keinen Anspruch auf Geldleistung verkörpert. Zudem lag eine nahezu vollständige Goldbesicherung vor. Nicht alle Gold-Anlageprodukte werden diese Merkmale erfüllen. Es ist also jeweils produktbezogen zu prüfen, inwieweit die neue Rechtsprechung übertragbar ist.

Wer profitiert von den Urteilen?

Für Anleger bringen die aktuellen Entscheidungen des BFH Klarheit in die seit vielen Jahren umstrittene Besteuerung von Xetra-Gold. Investoren, die gegen den Abgeltungsteuereinbehalt ihrer Kreditinstitute vorgegangen sind und ihre Steuerveranlagungen offen gehalten haben, können nun auf rasche Einspruchsentscheidungen hoffen und die zu Unrecht einbehaltene Abgeltungsteuer erstattet bekommen.

Doch Vorsicht: Nicht für alle Anleger ist die neue Rechtsprechung stets vorteilhaft. Anleger sollten daher jeweils prüfen, ob die steuerliche Behandlung durch ihr Kreditinstitut für sie nicht ggf. vorteilhaft war. Eine Verpflichtung, gegen die die durch das Kreditinstitut vorgenommene Abwicklung vorzugehen, besteht für Anleger jedenfalls nicht. Für die Frage der Vorteilhaftigkeit der neuen Rechtsprechung ist danach zu differenzieren, ob ein Anleger Gewinne oder Verluste innerhalb oder außerhalb der Jahresfrist realisiert hat.

Zur Person:

Christian M. Fischler ist Rechtsanwalt im Bereich Financial Services bei der KPMG AG in Frankfurt am Main. Er ist spezialisiert auf die steuerliche Beratung von Kreditinstituten, Finanzdienstleistern, Investmentgesellschaften und Family Offices, insbesondere in Bezug auf Finanzinstrumente, Wertpapierhandel/ Wertpapierabwicklung sowie Finanzierungsstrukturen. Darüber hinaus begleitet er Mandanten im Rahmen von Betriebsprüfungen und finanzgerichtlichen Verfahren.

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