24. Juni 2022
Anleihen-ETFs werden wieder spannend!

Mit Anleihen 6,5 Prozent Zinsen – mit welchen Papieren ist das möglich?

Jahrelang gab es keine Zinsen und negative Renditen bei Anleihen. Doch diese Phase geht nun schnellen Schrittes zu Ende. Anleihen-Experte Konrad Kleinfeld von SPDR erklärt, wo Anleger jetzt gute Chancen auf attraktive Renditen haben. 

Konrad Kleinfeld leitet die Distribution von Fixed Income ETFs bei SPDR State Street Global Advisors in EMEA. Er verfügt über 17 Jahre Erfahrung im Kapitalmarktgeschäft und unterrichtet nebenberuflich an der Universität von Oxford. Der Börsenprofi erläutert, warum der Markt für Anleihen immer vielfältiger wird und wo er aktuell attraktives Renditepotenzial sieht. 

Die Inflation ist in diesem Jahr so hoch wie seit mehreren Jahrzehnten nicht mehr. Die Notenbanken versuchen mit Zinsanhebungen gegenzusteuern, aber so richtig scheint das noch nicht zu fruchten. Wie sehen Sie das?

Die Notenbanken befinden sich gegenwärtig in einem Dilemma. Sie stehen vor der Frage, ob sie durch Zinsanhebungen eine zeitnahe Rezession riskieren oder ob sie eine höhere Inflation über kurz- bis mittelfristige Zeiträume tolerieren. Die Inflation in den USA dürfte zwar relativ zeitnah ihren Höhepunkt erreichen, aber in Europa, insbesondere in Deutschland, wird das noch einige Monate dauern. Danach erst dürften wir uns auf hohem Niveau tendenziell abwärts bewegen mit der Inflationsrate.  Zugleich werden die Notenbanken ihre Aufkaufprogramme von Anleihen zurückfahren, also ihre Bilanz wieder verkürzen, und die Zinsen anheben. Das sorgt für eine durchaus undurchsichtige Gemengelage an den Kapitalmärkten.

Vielen institutionellen Investoren dürften die Zinsanhebungen aber gut gefallen, oder?

Das stimmt, viele große internationale Asset-Allokatoren, zum Beispiel Versicherungen, finden knapp drei Prozent Rendite von US-Staatsanleihen im zehnjährigen Bereich recht charmant. Sie erhalten endlich wieder einen gewissen regelmäßigen Ertrag über die Zinskomponente von Anleihen mit relativ geringem Ausfallrisiko. Viele Versicherer haben das ja über Jahre vermisst.

Aber sollte man jetzt als Investor nicht nochmal die Füße stillhalten und abwarten, bis man ein Zinsniveau erreicht hat, von dem man potenziell ausgehen kann, dass es nicht mehr besonders stark steigt? Damit man eben nicht noch in fallende Kurse hinein kauft?

Das könnte man einerseits so sehen. Aber Sie müssen ja nicht zwingend alles in einer Summe investieren. Sie könnten auch regelmäßig über einen Sparplan kaufen, um den Cost Average Effekt zu nutzen. Wir sehen ja erstmals seit geraumer Zeit wieder, dass institutionelle Investoren im Anleihebereich aktiver werden, weil das Rendite-Niveau wieder interessant geworden ist und zudem die Subkategorien innerhalb der Rentenmärkte differenzierte Rendite-Risiko-Profile bieten. Zudem können Anleihen auch im gesamten Portfoliokontext einen wichtigen Beitrag als Stabilisator leisten.

Anleihen-Experte Konrad Kleinfeld von SPDRsieht gute Chancen auf den Bondmärkten.
Anleihen-Experte Konrad Kleinfeld von SPDR sieht gute Chancen auf den Bondmärkten.

Stehen Anleihen womöglich vor einer Renaissance als Anlageklasse?

Gut möglich, aber häufig ist eine Renaissance nicht bloß die reine Wiederkehr eines alten Themas, sondern häufig in einer adaptierten, in einer anderen Form. Ich glaube grundsätzlich, dass viele Investoren sehr fortschrittlich sind in ihrem Verständnis, was Anleihen implizieren. Denn es gibt nicht nur Staats- und Unternehmensanleihen, das Thema ist vielfältiger. Insbesondere heutzutage spielen inflationsindexierte Anleihen eine immer größere Rolle oder auch Anleihen aus den Emerging Markets. Und hier tut sich für viele Investoren die Frage auf, ob man diese in lokaler Währung handelt oder in US-Dollar. Man kann also innerhalb der Assetklasse Anleihen in viele verschiedene Subsegmente investieren. Die Renaissance – wie Sie sagen – bringt auch eine enorme Produktinnovationsvielfalt mit sich. 

Sind EM-Anleihen in lokaler Währung denn interessant?

Im Bereich der Emerging-Market-Lokalwährung gilt natürlich, dass ich ein höheres Fremdwährungsrisiko habe. Aber natürlich habe ich auch die Möglichkeit, mit solchen Papieren an einem höheres Rendite-Niveau als Investor zu partizipieren. Da sprechen wir teilweise über 6,5 Prozent. Die insgesamt höheren Kupons können mich für das Risiko von Kursschwankungen potenziell kompensieren. Sollten jetzt diese Papiere nochmals etwas fallen, dann erhalte ich ja immer noch eine bekömmliche Kompensation über den Zins *. Aber diese Papiere eigenen sich naturgemäß eher als Beimischung.

Tipp: Du möchtest vorsorgen? Hier gelangst du zum neuen Vorsorgerechner von extraETF.com.

Was halten Sie von Euro-Anleihen in dem aktuellen Umfeld?

Eine interessante Idee könnte darin bestehen, Euro-Unternehmensanleihen aus dem kurzlaufenden Bereich ins Portfolio beizumischen, zum Beispiel im Bereich null bis drei Jahre Restlaufzeit. Da haben wir kürzlich ein Produkt lanciert, das in wenigen Wochen über 400 Millionen US-Dollar groß geworden ist. Und die Besonderheit besteht darin, dass der ETF nicht klassisch nur in Unternehmensanleihen investiert, sondern unter Berücksichtigung eines ESG- bzw. Nachhaltigkeitsfilters. 

Welche Vorteile bringt das?

In der Vergangenheit haben Investment-Ansätze, die Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigen, sowohl auf der Aktien- als auf der Rentenseite gezeigt, dass sie bei einer gewissen Abwärtsbewegung einen zusätzlichen Sicherheitspuffer bieten können. In steigenden Märkten erzielen sie zudem ähnliche Renditen wie klassische Wertpapiere. Das ist eine gute Möglichkeit, die unsichere Zinssituation in Europa über eine kurze Duration abzufedern und gleichzeitig Nachhaltigkeit als wichtiges strukturelles Thema für die Märkte allgemein zu spielen.