1. April 2024
Bruno Poulin (Ossiam): Das macht aktive ETFs so spannend für Privatanleger

Bruno Poulin (Ossiam): Das macht aktive ETFs so spannend für Privatanleger

Was zeichnet aktive ETFs aus? Wie sieht es mit der Relevanz von ESG-Strategien aus? Und was macht der Zinsmarkt? Antworten von Bruno Poulin, Geschäftsführer von Ossiam.

Welche ETF-Trends sehen Sie in den kommenden Monaten und Jahren?

Einem Bericht von Bloomberg Intelligence zufolge schwankten die ETF-Zuflüsse in Europa stark, aber das verwaltete Vermögen blieb relativ stabil. Insgesamt zeigten sich die meisten Zuflüsse zulasten von Investmentfonds. Wir sind davon überzeugt, dass aktiv gemanagte ETFs ein fruchtbarer Boden für Innovationen sind und in naher Zukunft in Europa immer mehr an Bedeutung gewinnen werden. Blicken wir in die USA, so ist das Thema ETF hier wesentlich populärer und die Produkte demokratisierter als woanders. Wir erwarten, dass das Wachstum der aktiv gemanagten ETFs hier eine ähnliche Entwicklung widerspiegeln wird.  In den letzten Jahren haben mehrere große Asset Manager diesen Sektor für sich entdeckt. Hier besteht jedoch die Gefahr, dass sich dies am Ende auch auf Lasten der Transparenz auswirken könnte, da einige Vermögensverwalter aus verschiedenen Gründen Überlegungen anstellen könnten, den Informationsgrad, den sie den Anlegern zur Verfügung stellen, zu senken. Aktiv gemanagte ETFs sollten in keinem Fall als Mittel dienen, um schlechte Ergebnisse zu verschleiern.

Eine weitere beobachtbare Entwicklung ist das zunehmende Wachstum von ETF-Sparplänen in Europa. Laut einer Untersuchung von BlackRock und extraETF wird die Anzahl der ETF-Sparpläne in ganz Europa in den nächsten fünf Jahren voraussichtlich um das Vierfache steigen, so prognostiziert Blackrock.

Bruno Poulin, Geschäftsführer von Ossiam
Bruno Poulin, Geschäftsführer von Ossiam

ESG-Investitionen bleiben ein langfristiges Thema für Portfolios. Trotz teilweise gemischter Performance seit der post-Covid-Phase bleiben ESG-Ansätze für viele Anleger relevant, wobei unterschiedliche Trends im Fokus stehen: Während einige ESG-Investoren ihren Anlageprinzipien unabhängig von Marktentwicklungen treu bleiben, bevorzugen andere jetzt ESG-Strategien mit geringer Abweichung von Standardbenchmarks, um ESG-Anforderungen mit finanziellen Zielen in Einklang zu bringen, wie zum Beispiel Paris-Aligned Benchmarks. Dennoch bleiben aktive ESG-Strategien in langfristigen Portfolios relevant. Zum Beispiel zielen wir mit unserer „Food for Biodiversity“-Strategie darauf ab, den negativen Einfluss des Portfolios auf die Biodiversität im Vergleich zum Agrar- und Lebensmittelsektor zu reduzieren, der maßgeblich zum Verlust der Biodiversität beiträgt. Wir sind fest davon überzeugt, dass die Berücksichtigung von Biodiversitätsaspekten in den kommenden Jahren für Investoren als auch gleichermaßen für Unternehmen erheblich an Bedeutung gewinnen wird, ähnlich wie die Berücksichtigung von Kohlenstoffemissionen in der Finanzbranche vor einem Jahrzehnt.

Aktive ETFs gewinnen an Bedeutung. Wie sieht es hier bei den Zuflüssen in Relation zu passiven ETFs aus?

Nach Angaben des unabhängigen Research- und Beratungshauses ETFGI verzeichneten aktiv verwaltete ETF in Europa im Jahr 2023 einen Nettozufluss von 7,3 Milliarden US-Dollar, was 4,4 Prozent der gesamten Nettozuflüsse in ETFs in Europa entspricht. Der Anteil aktiver ETF in dieser Region bleibt jedoch gering und beträgt gerade einmal zwei Prozent der gesamten Assets under Management in europäischen ETFs. Das offenbart interessante Wachstumsperspektiven.

Was macht aktive ETFs für Privatanleger interessant?

Wie die Bezeichnung bereits nahelegt, kombinieren die Produkte die Vorteile von klassischen ETFs mit denen von aktiven Anlagestrategien. Wie für ETFs lassen sie sich einfach und bei fortlaufender Preisstellung während der Handelszeiten über die Börse handeln; sie sind liquide, transparent und kostengünstig. Anders als passive ETFs bilden sie aber nicht einfach einen etablierten Index ab, sondern zielen darauf ab, eine Standard-Benchmark zu übertreffen. Typischerweise zielen diese Strategien darauf ab, im Vergleich zu traditionellen Indizes, einzelne Wertpapiere basierend auf ihrer Marktkapitalisierung zu gewichten, um ein spezifisches Ergebnis zu erzielen. Diese Ansätze sind für alle Anleger interessant, die ihre Ertragschancen steigern oder aber ihre Risiken reduzieren möchten – ohne dabei die Nachteile klassischer aktiv verwalteter Investmentfonds in Kauf zu nehmen.

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Wie stehen Sie zur Sektorrotation und wie sollten sich Anleger jetzt positionieren?

Sektorenrotation ist einer der Ansätze, die zu einer alternativen Gewichtung im Vergleich zu traditionellen Indizes führen. Dabei werden unterbewertete Sektoren identifiziert, die das Potenzial haben, den Gesamtindex zu übertreffen. Sektorrotation steht somit in Einklang mit der langen Tradition der Value-Strategien, die durch zahlreiche wissenschaftliche Erkenntnisse gestützt wird. Weil die überdurchschnittlichen Renditen einzelner Aktien zunehmend mit den überdurchschnittlichen Renditen ihrer Sektoren korrelieren, ist diese Strategie mit Blick auf unsere momentane Marktsituation wirklich sinnvoll, um Anlagechancen zu identifizieren.

Darüber hinaus ist klar, dass das Umfeld für Anlagen 2024 Unsicherheiten mit sich bringen wird: eine weltweit kompakte politische Agenda mit Wahlen in vielen einflussreichen Volkswirtschaften einschließlich den USA, Unsicherheit über geldpolitische Entwicklungen, eine sich verlangsamende, aber anhaltende Inflation in wichtigen Volkswirtschaften und eine Aktienrally, die sich auf eine geringe Anzahl an Unternehmen zulasten von ESG konzentriert. Als Folge davon werden wahrscheinlich auch weiter einzelne Titel im Vergleich zum Markt, insbesondere innerhalb bestimmter Sektoren, stärker abweichen. Die Anzahl der Anlagechancen dürfte daher im Jahr 2024 erhöht sein, insbesondere solche, die auf Sektor- und Stilrotationen basieren.

Wie sollten Anleger auf Senkungen der Leitzinsen reagieren?

Wie eingangs erwähnt, halten wir uns mit Prognosen über künftige Marktentwicklungen zurück. Dennoch beobachten wir, dass der historische Spread der Renditen von US-Staatsanleihen niedrige Niveaus erreicht hat, was zu einer inversen Zinskurve führt. Daher erscheint eine Steepener-Strategie auf die US-Zinskurve als eine vielversprechende Möglichkeit, von einer Normalisierung der Zinsstruktur zu profitieren. Zusätzlich hat sich eine solche Strategie historisch gesehen während der größten Rückgänge des US-Aktienmarktes in den letzten 20 Jahren als besonders erfolgreich erwiesen und kann daher als eine Möglichkeit zur Diversifikation eines Core-Portfolios aus Aktien betrachtet werden.