24. Oktober 2020
Market Maker im ETF-Handel.

Market Maker: So arbeiten die Wächter über faire Preise im ETF-Handel

Für den reibungslosen Handel in illiquiden Märkten, außerhalb der Hauptbörsenzeiten und in Crashs sorgen Market Maker. Ein Blick hinter die Kulissen.

Je öfter ein ETF gehandelt wird, desto enger sind die vom Anleger fälligen Handelsspannen zwischen An- und Verkaufskurs (Spreads). Für den reibungslosen Handel in illiquiden Märkten, außerhalb der Hauptbörsenzeiten und in Crashs sorgen Market Maker wie Oliver Kilian von der Unicredit.

ETF-Kritiker bemängeln, dass ETFs in Krisenzeiten nicht liquide genug seien, um an der Börse verkauft werden zu können. Die Feuerprobe blieb aufgrund der über zehn Jahre anhaltenden Kursrallye lange Zeit aus, doch auf dem Höhepunkt der Coronapandemie und des dramatischen Ölpreisverfalls Mitte März zeigte sich, dass der Handel abgesehen einiger weniger Preisfeststellungsaussetzungen stets gewährleistet wurde. Anleger konnten jederzeit ihre ETFs verkaufen.

„Gerade während der Coronakrise haben ETFs im Handel ihren Zweck erfüllt. Sie waren stets handelbar und haben das mit ihnen verbundene Risiko exakt abgebildet. Gerade im Bereich der Anleihen haben ETFs gezeigt, dass sie mindestens die gleiche Liquidität wie ihre zugrundeliegenden Werte aufweisen, unabhängig von theoretischen Bewertungskursen“, so Oliver Kilian, einer der verantwortlichen Market Maker der Unicredit.

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Was machen Market Maker genau?

„Market Maker sichern die Liquidität für ETFs sowohl an den Börsen als auch für institutionelle Investoren im außerbörslichen Handel. Damit sind sie maßgeblich dafür verantwortlich, dass ETFs zu engen Geld-Brief-Spannen und nahe am fairen Wert gehandelt werden können. Ohne Market Maker wäre eine Preisfeststellung deutlich schwerer und weniger transparent für den Anleger“, erläutert Kilian seine Aufgabe. „Um die Liquidität eines ETFs festzustellen, muss man seinen fairen Wert kennen. Der faire Wert eines ETFs bemisst sich am Wert der in ihm enthaltenen Wertpapiere. Diesen Wert berechnet der Market Maker mehrmals pro Sekunde neu und stellt darauf seine Kauf- und Verkaufskurse an der Börse ein“, so Kilian.

Wie weit diese Kurse von dem fairen Wert des Wertpapierbaskets im ETF entfernt sind, sei jedoch davon abhängig, wie liquide die zugrundeliegenden Wertpapiere im Index sind. Je schlechter diese handelbar sind, desto weiter sei auch die Geld-Brief-Spanne und geringer die Anzahl der quotierten ETF-Anteile an der Börse, erläutert Kilian. „Die Handelbarkeit ist dabei von mehreren Faktoren abhängig: Liquidität der zugrundeliegenden Wertpapiere, vorhandene Fremdwährungen im Index, abweichende Zeitzonen von den Heimatmärkten und auch Verfügbarkeit der Anteile bei den ETF Market Makern untereinander“, so Kilian.

Tagesablauf eines Market Makers

„Das Thema Datenversorgung ist für einen Market Maker unerlässlich. Zum einen werden die tagesaktuellen Zusammensetzungen der ETFs täglich durch die Emittenten bereitgestellt und müssen von einem Handelssystem verarbeitet werden, um den fairen Wert des ETFs zu Beginn des Tages zu bestimmen, zum anderen muss diese Zusammensetzung immer wieder mit neuen Kursen der enthaltenen Wertpapiere, auf deren Basis sich der ETF-Preis bildet, versorgt werden.

Wenn der Market Maker dann an der Börse ETFs kauft oder verkauft, muss er die daraus entstehende Position ebenso wieder absichern, mit Hinblick auf die aktuelle Marktentwicklung. Daraus wird bereits deutlich, dass digitale Verarbeitung von Daten sowie stabile Rechensysteme ausschlaggebend für den reibungslosen Ablauf im ETF-Handel sind. Sobald sich nach den vielen Geschäften über den Tag (oder den Lauf von mehreren Tagen) Bestände aufgebaut haben oder der Market Maker so viel Anteile verkauft hat, dass er keine Bestände hat, muss er den Fehlbestand oder den Überhang über den Creation-Redemption-Prozess mit dem Emittenten des ETFs regulieren.“

Tipp: In unserem umfangreichen Wissensbeitrag „Creation/Redemption-Prozess: So entstehen ETFs“ finden Sie ausführliche Hinweise und Informationen zum Thema.

Und was passiert in illiquiden Märkten?

„In illiquiden Märkten ist es schwerer, Handelsgeschäfte abzusichern. Da in der Regel das Handelsbuch eines ETF Market Makers risikoneutral ist, heißt das, dass er für seine ETF-Position, zum Beispiel in einem Aktien-ETF, immer eine Gegenposition in Form von Aktienbaskets oder auch Futures eingeht, die ihre Kursgewinne und -verluste gegeneinander aufheben. Dennoch fällt es bei starken Marktschwankungen schwerer, den fairen Wert des ETFs zu bestimmen und enge Preise an den Handelsplätzen zu stellen“, erklärt Kilian.

Im Falle sehr starker Verwerfungen und hoher Volatilität an den Börsen sei zudem eine sogenannte „Fast-Market-Regelung“ seitens der Börse vorgesehen, die Market Maker von ihrer Quotierungsverpflichtung vorübergehend befreit. Dadurch ist der Marker Maker nicht mehr an seine Mindest- Geld-Brief-Spanne gebunden, sondern kann zumindest zu weiteren Spannen für Liquidität sorgen. „Auch in den Turbulenzen im Februar und März haben Market Maker weiterhin Preise für ETFs gezeigt und haben die Produkte handelbar gehalten – wenn auch ein gewisser Risikoabschlag im Bereich einiger Basispunkte stattgefunden hat“, erläutert Kilian die Vorgehensweise. Futures und Future-Baskets sind dabei oft ein effizientes Werkzeug zur Absicherung.

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Gibt es Qualitätsunterschiede?

„Ja, es gibt Qualitätsunterschiede zwischen den Emittenten im Sinne von Performance, das ist allerdings lediglich ein weiterer Faktor neben den Handelskosten und den persönlichen steuerlichen Umständen. Unterschiede zeigen sich bei der Selektion der Indizes, die abgebildet werden sollen, zudem gibt es Unterschiede im Portfoliomanagement, im Umgang mit Dividenden oder beim Domizil des Fonds. Die Unterschiede bei ETF Market Makern liegen hingegen in den vorhandenen Handelspositionen und der technischen Anbindung an Kunden und Märkte“, so Kilian.